Tibet (23. September – 02. Oktober 2017)

Es war teilweise schon schwer einige der Artikel zu schreiben. Was soll rein, was interessiert doch eh keinen, usw… Bei Tibet ist es noch viel komplizierter. Die Eindruecke sind ueberwaeltigend und, im wahrsten Sinnes des Wortes, atemberaubend. Und bringen einen zum Gruebeln… Alles hat zwei Seiten.

Das Dach der Welt hat seinen Namen  wirklich verdient. Auf unserer Tour bewegen wir uns zwischen 3000 und ueber 5000m ue.NN. Die Luft wird duenn hier oben. Kleinste Anstrengungen rauben einem den Atem und das Schreckgespenst „Hoehenkrankeit“ schwebt staendig ueber einem. Und dann die Farben der Berge, Fluesse, Seen, der Haeuser und Tempel, aber auch der bunten Gebetsfahnen und Trachten. Man weiss gar nicht wo man zuerst hinsehen soll und staendig wird der Blick von etwas Neuem gefesselt. Am beindruckendsten sind aber die Menschen. Bauern, Moenche, Geschaeftsleute, Taxifahrer… alle sind unglaublich freundlich, offen und lachen viel.

Aber etwas ist seltsam. Ein beklemmemdes Gefuehl schleicht sich ein, wenn man durch kleine Doerfer faehrt, in denen auf jedem einzelnen Haus die chinesische Flagge weht (die tibetische sehen wir nicht ein einziges Mal). Wenn unbedarfte Mitreisende Fragen ueber den Dalai Lama stellen und unser Fuehrer die Stimme senkt und sich nervoes umsieht. Wenn man inmitten der Einsamkeit an einer mit dem Lineal entworfenen Plansiedlung mit chinesischen Propagandaplakaten vorbei faehrt und hoert, dass demnaechst die Bewohner der umliegenden Doerfer hierher umgesiedelt werden. Segen und Fluch. Die chinesische Regierung investiert und baut wie verrueckt in Tibet: neue Strassen, Tunnel, Flughaefen, Stauseen und Solarparks zur Stromversorgung, Schienenstrecken fuer Schnellzuege. Dafuer zahlen die Tibeter mit ihrer Individualitaet und Meinungsfreiheit. Nicht anders als der Rest der Chinesen auch.

So und jetzt mal auf Anfang.

Nach einer ewas holprigen Nacht in Xining steigen wir am fruehen Nachmittag wieder einmal in den Zug. Es dauert 20 Stunden bis Lhasa, der Hauptstadt von Tibet, offiziell autonome Region Chinas. Der Zug ist lang und voll. Wir haben „Hard Sleeper“ Plaetze, heisst Betten in einem 6er-Abteil ohne Tuer (es sind jeweils drei Betten uebereinander auf jeder Seite). Mit uns im Abteil ist eine chinesische Familie, inklusive dreier aelterer Damen. So gebietet natuerlich die Hoeflichkeit, dass wir die obersten Betten nehmen. Die Omas amuesieren sich auch jedes mal koestlich wenn wir mit akrobatischen Glanzleistungen die 2,5 Meter ueberwinden. Leider ist es oben recht eng und man kann sich nicht voll aufsetzen.

Von der vorbeiziehenden Landschaft bekommt man da auch nichts mit. Dafuer gibt es im Gang Klappstuehle mit Tischchen und wenn man es schafft einen zu ergattern wird man mit einem tollen Ausblick belohnt. Die „Lhasa-Bahn“ ist die hoechste Zugstrecke der Welt: Der Grossteil liegt ueber 4000m ue.NN. und gipfelt im Tang-gu-la Pass auf 5072m ue.NN. Man koennte glauben man faehrt durch eine sanfte Huegellandschaft, aber dann erinnern einen die Sauerstoffspender an der Wand, dass der vermeindliche Talboden, auf dem die Gleise liegen, ja schon hoeher ist als jeder Berg in Europa.

 

Viel Schlaf erwischen wir nicht und so kommen wir uebermuedet und mit leichten Kopfschmerzen Mittags in Lhasa an. 

Eine Einreise nach Tibet ist nur mit einem extra Permit moeglich. Und das bekommt man nur im Zusammenhang mit einer gebuchten Tour ueber einen Reiseveranstalter. Wir hatten unser Permit in Beijing beantragt, bei einem Agenten, der uns vom Hostel empfohlen wurde. Er hat uns ein Foto des Permits ueber Whats App geschickt, das wir dann je zwei Mal farbig ausdrucken mussten.

So eine Kopie reicht fuer die Einreise mit dem Zug. Waeren wir mit dem Flugzeug gekommen haetten wir das Original gebraucht. Eine Kopie wirde bei der Sicherheitskontrolle am Bahnhof von Xining einbehalten, die andere müssen wir bei einer erneuten Sicherheitskontrolle am Bahnhof in Lhasa vorzeigen und werden sie auch spaeter wahrend der Reise immer wieder benötigen. Ein Guide holt uns und andere Touristen dann am Ausgang ab und wir fahren ins Gang-gyan Lhasa Hotel, das unsere Basisstation fuer die folgende Woche wird.

Den ersten Tag verbringen wir ruhig, mit einem ausgedehnten Nickerchen und einem Abendessen in einem tibetischen Restaurant, zusammen mit einer Amerikanerin, die wir auf der Strassse treffen.

Am naechsten Morgen versammelt dann unser tibetanischer Guide Sonam seine Gruppe um sich. Wir sind zu zwoelft: Ausser uns noch zwei Deutsche, ein Kanadier, zwei Israelis, eine Dame aus Malaysia, zwei Australierinnen und ein Paar aus Neuseeland. Die ersten zwei Tage werden wir erstmal in Lhasa verbringen um uns an die Hoehe zu gewoehnen: Lhasa liegt immerhin auf 3650m ue.NN. Wir erkunden die Stadt…

…und sehen uns an den naechsten beiden Tagen das Deprung Kloster…

…das Sera Kloster…

…den Potala Palace…

…und den Jokhang Temple an.

In und um die Tempel und Kloester sieht man neben den Touristenhorden viele Pilger und Moenche, die beten und die heiligen Staetten im Uhrzeigersinn umrunden. In den beengten Raeumlichkeiten steht unsere Gruppe oft im Weg und man bekommt schnell ein schlechtes Gewissen den Glaeubigen gegenueber. Innerhalb vieler Kloester und auch in den ueber 1000 Raeumen des Potala Palastes darf man nicht fotografieren und so koennen wir euch leider nicht an den vielen vergoldeten Figuren, Stupas und Mausoleen, den bunten Farben und fantastischen Wandmalereien teilhaben lassen.

Von unserem Guide erfahren wir sehr viel über Gebraeuche und Glauben der Tibeter und die Geschichte des Landes. Die Tibetaner sind ein sehr glaeubiges Volk, das eine Mischung aus Buddhismus und Animismus praktiziert. Manchmal muten die Ausführungen auch etwas aberglaeubisch an. Besonders interessant ist die immer noch praktizierte „Luftbestattung“, bei der die  Koerper der Verstorbenen von Freunden oder Moenchen auf Berggipfeln zerteilt und dann von Geiern gefressen werden. Auch die oft zu sehenden weiß auf den Fels gepinselten Leitern gehören zum Bestattungsritus. Sie sollen der verstorbenen Seele den Weg in den Himmel zeigen.

Unser Führer erklärt auch viel über die vergangenen Dalai- und Panchen-Lamas. Den derzeitigen Dalai-Lama darf er natürlich nicht erwähnen und auch die Kontroverse über den amtierenden (elften) Panchen-Lama wird nicht diskutiert. Hier und da blitzt bei unserem Besuch in Tibet aber doch der Wunsch der Tibeter nach mehr Informationen ueber ihre eigentliches Oberhaupt auf (wenn sichergestellt ist, dass niemand zuhoert und keine Kameras in Reichweite sind).

Nach der Aklimatisierungsphase in Lhasa geht es dann Richtung Suedwesten. Wir fahren am Yamdrok-Tso Lake vorbei, der in einem fantastischen Tuerkis strahlt und dem die Form eines Skorpions nachgesagt wird.

Zu Mittag sind wir bei einer Familie zu Gast, die neben dem See lebt. Hier gibt es tibetisches Essen mit sueßem Tee oder dem salzigen Buttertee. Der ist nicht Jedermanns Sache.

Dann fahren wir am wunderschoenen Manla Reservoir, einem Stausee, …

…vorbei zum Karo La Gletscher. Dieser beeindruckt nicht nur durch die weiten Eisfelder, sondern auch durch das bestaendige Rauschen des Schmelzwassers und so klingt er auch aus groeßerer Entfernung wie ein Wasserfall. Die Auswirkungen des Klimawandels sind hier deutlich zu sehen und zu hoeren.

Nach einem Kurzbesuch in Gyantse, bei dem wir saemtliche Sehenswürdigkeiten aus Zeitmangel links liegen lassen müssen, kommen wir spaet am Abend in Shigatse an, Tibet’s zweitgroesster Stadt. Ausser Essen und Schlafen schaffen wir hier nicht mehr viel.

Am naechsten Tag fahren wir, zum Grossteil ueber Schotterpisten, in Richtung Mount Everest. Die Landschaft aendert sich dramatisch:  Zuerst umgeben uns noch Gerstenfelder. Es ist Erntezeit.

Dann gibt es nur noch Sand und Duenen mit vereinzelten kleinen Bachlaufen. So haette sich Robert eigentlich die Wueste Gobi vorgestellt, nur mit weniger Bergen drum herum.

Am Kya Wu Lha Pass hat man zum ersten Mal einen guten Blick auf den Mount Everest, oder Mount Qomolangma, wie er in Tibet heißt. Hier hat man ein tolles Panorama „ueber“ die umliegenden Berggipfel. Mit nur 5198m ue.N.N. ist der Standort natuerlich nicht der hoechste in der Umgebung. Die Sicht ist gut aber nicht perfekt und so verhuellen noch einige Wolken unser heutiges Ziel.

Als wir uns dem Base Camp naehern haben wir aber großes Glueck und der Everest zeigt sich uns in seiner ganzen Pracht. Die schneeweiße Spitze ueberstrahlt das restliche grau-braun so sehr, dass es das Fotografieren schwer macht. Den Halt beim ersten guten Aussichtspunkt nutzen natuerlich alle fuer Fotos, Mati hingegen macht hier seiner Freundin Tal einen Heiratsantrag und das israelische Paerchen kommt freudestrahlend zurueck zum Bus und wir bestaunen alle denVerlobungsring. Soetwas hier zu machen ist natuerlich ganz großes Kino. Es folgt spaeter die Idee die Hochzeit am Toten Meer in Israel, dem tiefsten Punkt der Erde zu feiern. Wir wuenschen auf jeden Fall, wo auch immer sie stattfindet, eine tolle Feier (hoffentlich mit den von uns beschriebenen bayerischen Hochzeitspielen) und das allerbeste fuer die beiden!

Wir halten schließlich bei einer kleinen Zeltstadt wenige Kilometer vor dem eigentlichen Base Camp (das darf nur von Bergsteigern und Sherpas betreten warden). Obwohl die Luft hier oben ziemlich duenn ist und man schon beim Spazierengehen ins schnaufen kommt, machen wir uns auf den Weg um dem Mount Everest noch ein Stueckchen naeher zu kommen. Vorbei am hoechsten Postamt der Welt…

…erreichen wir das Rong Pu Kloster, ebenfalls das hoechstgelegene seiner Art und einer der hoechsten staendig bewohnten Orte der Erde.

Das sind schon einige Superlative, aber der Everest ueberstrahlt alles und so verbringen wir viel Zeit mit Gaffen und Fotografieren.

Auf dem Rueckweg zum Bus lassen wir es uns aber nicht nehmen uns neben den Sauerstoffflaschen inhalierenden Besuchern zwei Zigaretten anzuzuenden. Hier oben gibt es aber keine große Rauchercommunity.

Die Nacht verbringen wir im Ronghbuk „Hotel“, etwas noerdlich der Zeltstadt. Die Zimmer sind einfach, die Toiletten noch einfacher. Einige Gaeste bewaffnen sich mit Sauerstoffflaschen um aufs Klo zu gehen. Ob das an der duennen Luft oder dem erbaermliichen Gestank liegt bleibt ihr Geheimnis. Das Restaurant ist allerdings grossartig und verstroemt mit dem zenralen Ofen einen heimeligen Charm. Wir sehnen uns ploetzlich nach Germknoedeln und Jagertee.

Die Nacht auf ueber 5000m verlaeuft nicht fuer alle gut. Bianca hat keinerlei Ausfallerscheinungen, aber Robert leidet unter Kopfschmerzen und Schnappatmung beim Einschlafen. So drueckt der Koerper wohl seine Sauerstoffunterversorgung aus, wenn die Atmung flacher wird. Die Sauerstoffflaschen helfen auch nur bedingt, da man ja nicht jede Minute draufdruecken kann, wenn man schlaeft.

Nach dem Fruehstueck am naechsten Morgen sind einige dann auch froh wieder in tiefere Gefilde abzusteigen und die Beschwerden legen sich recht schnell. Dann geht es den selben Weg zurueck nach Lhasa (die bessere und schnellere Strasse ist leider gesperrt) inklusive einer erneuten Uebernachtung in Shigatse. Dort schauen wir uns noch das Tashilhunpo Kloster an, das die groesste vergoldete Buddha-Statue der Welt beherbergt. Die steht natuerlich innen, darf man also nicht fotografieren, bzw. nur gegen horende Gebuehren. Daher ein idyllischen Foto vom Aussengelaende:

Schlussendlich sind wir nach der langen Fahrt dann ganz froh wieder im altbekannten Lhasa zu sein.

Mit einer neuen Gruppe und einem neuen Guide machen wir uns schliesslich am naechsten Morgen zum Nam-Tso Lake auf. Wieder geht es mit einem Minibus in Taeler und ueber Paesse (La Ghen La Pass 5190m) durch die atemberaubende Landschaft Tibets. Manchmal weis man dabei nicht ob man mehr Berge oder mehr Himmel in das Foto packen soll, weil beide so schoen sind 😉

Am See angekommen beziehen wir unsere Zimmer im GodSheep Hotel und machen uns auf den Weg eine kleine Halbinsel im See zu umrunden. Unser Guide berichtet, dass sie frueher mal eine Insel war und sich durch den sinkenden Wasserspiegel gebildet hat. Am Strand gibt es weisse Yaks, neben denen man sich fotografieren lassen kann. Diese Tiere werden hier besonders verehrt, weil ein Berggott, der mit dem See verheiratet ist, auf einem weissen Yak reitet.

Die Seegoetting reitet uebrigens auf einem Drachen. Is ja klar, oder? Der Strand scheint auch bei chinesischen Hochzeitspaaren sehr beliebt zu sein und so sehen wir gleich fuenf Stueck, die nebeneinander Fotos von sich machen lasssen.

Als der Sonnenuntergang naht steigen wir die Klippen im Zentrum der Halbinsel und staunen ueber einen wundervollen Sonnenuntergang, der den 4718m hoch gelegenen See und die umgebende Ebene und die Berge herrlich beleuchtet.

Auf dem Rueckweg ist Roberts Kamera ohne Saft und wir machen uns beide Sorgen, dass das Aussortieren der Fotos diesmal Tage dauern koennte (Anm.d.R.: Es waren 3!!). Das „Hotelrestaurant“ ist leider nicht so heimelig wie am Everest und Bianca meint, dass die Toiletten noch schlimmer waren. Dafür hat man beim naechtlichen Austreten einen beeindruckenden Sternenhimmel ueber sich.

Zurueck geht es ueber den gleichen Weg und verlaeuft bis auf einem Besuch bei „Hot Springs“, also ein Schwimmbad mit natuerlich erhitztem Wasser (angeblich das groesste in China?) recht ereignislos. Die Anlage hat auch eher den Charme einer Industrieanlage:

Mit Ereignislos meine ich aber, dass man einfach stundenlang dasitzen koennte um der vorbeiziehenden Landschaft gebannt zu folgen. Mit dem richtigen Soundtrack im Ohr ist es noch besser und Robert legt die Doobie Brothers auf. Priceless.

Zurueck in Lhasa gehen wir mit Mati, Tal und unserer deutschen Freundin Friederike essen, in einem von einem Hollaender betriebenen Restaurant & Bar und es kommt Wehmut auf. Wir unterhalten uns mit dem Hollaender, der seit 13 Jahren in Lhasa lebt, ueber Veraenderungen. Segen und Fluch… Bevor die chinesische Regierung mit ihren Modernisierungen kam, war das das Stadttor von Lhasa (ohne die Strassen aussenrum) und der Potala Palace im Hintergrund hatte noch seinen angestammten Bewohner…

Der letzte Abend in Tibet ist angebrochen und morgen werden wir uns trennen und vom Dach der Welt Abschied nehmen muessen.

7 Replies to “Tibet (23. September – 02. Oktober 2017)”

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