Urlaub machen und Reisen – Von zwei verschiedenen Welten und der Zeit

Bevor ich Mitte 2017 auf die grosse Reise gestartet bin, habe ich viel gelesen. Mit diversen Blogs, Buechern und einschlaegigen Social Media Gruppen versucht man sich irgendwie auf das Kommende vorzubereiten.

Schliesslich ist so eine einjaehrige Reise ja kein Urlaub. Aber was heisst das eigentlich? Wo liegen die Unterschiede und was muss man alles beachten?

Am Anfang dachte ich, dass die Unterscheidung ganz einfach in der Laenge liegt: Wer fuer 2 oder 3 Wochen seine Sachen packt ist doch eindeutig im Urlaub. Aber wo liegt die Grenze? Sind 6 Wochen dann schon eine Reise?

 

Die Wahrheit ist, dass es eigentlich gar nichts mit der eigentlichen Zeit zu tun hat: Es kommt nur darauf an WIE und aus welchem Grund man unterwegs ist. 

Ein Urlauber bucht seinen Aufenthalt meist schon im Vorfeld, pauschal oder auch nicht, aber immer schoen durchgeplant und organisiert. Das macht natuerlich auch Sinn, wenn man wirklich wenig Zeit hat. Man will ja moeglichst viel erleben und die wertvollen Tage, weg vom Alltag, maximal ausnutzen und geniessen. Daran ist nichts Verwerfliches. Das Ziel ist ja in erster Linie klar definiert: Entspannung, Sport, Kultur oder was man auch immer haben moechte.

Als Reisender sieht es da natuerlich anders aus. Zugegeben, die meisten Reisenden haben tatsaechlich mehr Zeit zur Verfuegung. Die braucht man auch. Es beginnt schon mit der regelmaessigen Planung: Wo geht man als naechstes hin? Was will man sehen oder unternehmen? Diese Planungsphasen fressen viel Zeit. Oft sitzen wir einen kompletten Tag um die naechsten Schritte zu planen, Visa zu organisieren oder Unterkuenfte zu finden.

Wir haben aber auch Menschen getroffen, die nur ein paar wenige Wochen unterwegs sind, aber definitiv in die Kategorie Reisende fallen. Die Bereitschaft zum Reisen hat also nicht wirklich etwas mit der zur Verfuegung stehenden, reelen Zeit zu tun, sondern eher mit der gefuehlten Zeit im Kopf.

 

Schwierig ist es oft, wenn Urlauber und Reisende aufeinander prallen.

Natuerlich ist es unvermeidbar, dass Reisende und Urlauber sich am selben Ort aufhalten. Sehenswuerdigkeiten, schoene Straende oder andere touristische Highlights locken natuerlich beide Spezies an.

Zum Problem kann das nur werden, wenn die unterschiedlichen Erwartungshaltungen nicht kombinierbar sind. Als Reisender gewoehnt man sich sehr schnell ab, immer das maximale Erlebnis auf den ersten Versuch zu bekommen. Das kann fuer einen Urlauber natuerlich entnervend werden, dessen Ziel ja die Erlebnismaximierung ist. Andersherum koennen sich Reisende von der Zeitplanung eines Urlaubers recht schnell gestresst und gehetzt fuehlen.

Touristenauflauf zum Sonnenaufgang in Angkor Wat

Touristenauflauf zum Sonnenaufgang in Angkor Wat

 

Reisen und Urlaub schliessen sich nicht gegenseitig aus.

Jeder braucht aber mal Urlaub, auch Reisende. Fuer mich heisst das, sich mal fuer laengere Zeit am selben Ort aufzuhalten. Nach Monaten, in denen ich immer hoechstens 2 bis 3 Naechte im selben Bett geschlafen habe, muss ich auch mal zur Ruhe kommen koennen, meine Batterien wieder aufladen.

Das hoert sich fuer Daheimgebliebene wie ein schlechter Scherz an, wenn man waehrend einer einjaehrigen Asienreise sagt, man braeuchte Urlaub. Aber so ist das halt. Fuer mich war das das erste Mal auf Koh Chang, wo ich mich fuer 10 Tage am Strand „vergraben“ habe. Unbezahlbar.

Danach hatte ich auch wieder richtig Lust weiterzumachen und (fast noch wichtiger) war auch wieder aufnahmefaehig fuer Neues.

 

Die optimale Zeit zum Reisen gibt es nicht. Wichtig ist nur, dass man es macht.

Manchmal aergere ich mich, dass ich mich nicht schon viel frueher getraut habe. Die anerzogene Vernunft zuerst das Studium zu beenden, Arbeit zu finden, Geld zu sparen, hatte mich bisher davon abgehalten. Jetzt gehoehre ich zu den „Alten“: die Reisenden ueber 30, die wir bisher getroffen haben, kann ich an einer Hand abzaehlen.

Das macht aber auch nichts. Ja, ich haette schon frueher damit anfangen sollen, aber dafuer kann ich das Reisen jetzt auch anders geniessen. Ich habe den ganzen Stress schon hinter mir und kann mir mit offenen Augen die Welt ansehen und lernen, ohne unerledigte Sachen im Kopf.

Oft kommt die Frage, ob das nicht irgendwann langweilig wird, oder man nicht irgendwann genug davon hat. Ich kann fuer meinen Teil nur ein lautes definitives NEIN! antworten. Niemals! Es gibt schon ein paar Kleinigkeiten, die ich vermisse. Kartoffelbrei, Kaese, Brot und guten Wein. Aber wirklich nichts Weltbewegendes. Und dafuer gibt es hier noch soviel zu entdecken und Neues zu lernen.

Natuerlich denke ich darueber nach, was danach kommt, wenn ich wieder nach Deutschland muss. Aber viel wichtiger ist, wie ich all die Dinge, die ich noch sehen will, in die verbleibende Zeit packen soll. Ich werde nicht „fertig“ werden. Die Reise wird somit also nicht einfach enden und das normale Leben in Deutschland wieder anfangen koennen. Die Suche nach einer Loesung laeuft.

 

Zum Reisen gehoert Mut und Gelassenheit.

Damit moechte ich nicht behaupten, dass ich mutig oder gelassen bin, eher weit davon entfernt. Aber man sieht sich mit diesen Tugenden taeglich konfrontiert und man wird besser darin. Dinge gehen schief, man laeuft in Touristenfallen, wird auch mal ueber den Tisch gezogen… und macht dann, etwas weiser, trotzdem weiter und hofft, dass es beim naechsten Mal besser laeuft.

Reisen heisst, sich auf das jeweilige Land und die Menschen einzulassen, man ist abhaengig von ihnen. Das kann wunderschoen sein oder auch erschreckend. Mit Beidem muss man fertig werden.

Man lernt viel ueber andere Kulturen, trifft wundervolle Menschen und probiert grossartiges Essen. Am meisten lernt man aber ueber sich selbst… und das ist das Wichtigste, das einem eine Reise geben kann.

Reisen veredelt den Geist
 und räumt mit allen anderen Vorurteilen auf.
 Oscar Wilde (1900 - 1956)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert